Auswahl aus Requiem, Opus 19 -22, 1971 - 2002, Filzstift und Kugelschreiber auf Notenpapier,
Offset Copyright Hanne Darboven Stiftung, Hamburg
HANNE DARBOVEN - DIE KOMPONISTIN
"Die Endkonsequenz meiner Arbeit wird die Musik sein. Die totale Abstraktion der Kunst, das ist Musik. - Immer gewesen und wird sie mit mir weiter sein." (Hanne Darboven)
Die Frage, warum Hanne Darboven trotz ihrer musikalischen Begabung und Ausbildung im Fach Klavier und trotz ihrer Affinität zur Musik keine Pianistin geworden ist, beantwortet ihre Mutter Kirsten Darboven in einem Interview wie folgt: "Hanne wollte schaffend sein." Da es Darboven nicht genügen sollte zur reinen Interpretin zu werden, kam sie erst später - ca. ab 1980 mit der Arbeit an dem Werk zur `Wende 80` - als Komponistin zur Form der Musik zurück. 1991 bezeichnete sie die Musik schließlich als Endkonsequenz ihrer Arbeit und nannte sie die totale Abstraktion der Kunst. Dies ist insofern bezeichnend, als dass Darboven ihre Kompositionen nicht losgelöst von ihrem bisherigen künstlerischen Schaffen anfertigte, sondern vielmehr als letzte Stufe der Übersetzung. So entwickelte sie Wege, den von ihr dargestellten Kosmos zusammenzufassen und schließlich über Bild und Sprache sowie Linien und Zahlen in Musik münden zu lassen. Am Ende umfaßt ihr musikalisches OEvre über 61 Opera, die bis heute regelmäßig aufgeführt werden und von denen bereits zahlreiche Einspielungen und Livemitschnitte vorliegen.
Die sogenannte Endkonsequenz und die damit verbundene letzte Stufe der Transkription, ihres Werkes in Musik, beruht auf einer komplexen Herleitung mathematischer Regeln, die dem unbedingten Drang nach einer asketischen Ordnung zu folgen scheinen. Spätestens nach Darbovens Zahlenpartituren verbindet man mit ihrem musikalischen Schaffen den Begriff der mathematischen Musik, den sie auch selbst verwendete: "Ich schreibe mathematische Prosa, ich schreibe mathematische Musik." Dabei handelt es sich allerdings um eine mathematische Musik, die auf numerischen Konzepten beruht und die sich von der herkömmlichen Musik abhebt: "Es fasziniert mich, so wenig ich auch von Mathematik weiss. Fühle keine Verantwortung gegenüber der sogenannten Mathematik, tue mit meiner Mathematik, in meiner Weise. wie ich sie mir wünsche und finde es großartig -. Eben, daß Zahlen existieren, man sie benutzen kann, zeichnen kann damit."
[...]
Die Komponistin wählt bewußt eine undramatische und klare Klangsprache: "Sie (die Musik) ist hörbar aber nicht benutzbar. Meine asketischen Zahlenkonstruktionen und meine musikalische Zahlenproduktion, [...] ist für jeden Politiker unbrauchbar." Ein besonderes Merkmal ihrer Kompositionen ist zudem die Verwendung verschiedener Intermezzi, die ihre Werke ergänzen. So z.B. das Volkslied `Stille Nacht, heilige Nacht`sowie John Lennons `Give peace a chance`in Op. 1-6;
das Volkslied `Der Mond ist aufgegangen`in `Vier Jahreszeiten`, Op. 7; Edith Piafs `Non je ne regrette rien`in `24 Gesänge`Op. 14a oder Johann Sebastian Bachs BWV 565, `Toccata et Fuga`d-Moll im Requiem für Orgel, Op. 19 - 22.
Der Begriff `Requiem`ist nicht nur ein zentraler Begriff in Darbovens Schaffen. Das `Requiem`bzw. die `Ruhe`ist der Schlußpunkt der sogenannten Endkonsequenz ihrer Arbeit. Die Komponistin beschreibt es wie folgt; "Der Überbegriff dessen noch größter Arbeit bedeutet `Requiem`und das heißt [...] `Ruhe`. Und ich würde sagen, nach der Unruhe, inklusive Krieg und Tod und Faschismus, ist Ruhe höchstes Anliegen, was Du praktizieren kannst."
Florentine Gallwas, Hanne Darboven Stiftung, Hamburg
Eingeborene (Detailansicht), 2015 Acrylfarbe auf Speckstein,
14 x 26 x 5 cm
Copyright Philip Loersch u. Jette Rudolph Galerie
PHILIP LOERSCH
Philip Loersch (geb. 1980 in Aachen; lebt und arbeitet in Berlin) machte bereits vor zehn Jahren durch seine raumgreifenden Cut-Outs auf sich aufmerksam, indem er das
Prinzip der Zeichnung vom zweidimensionalen Träger in die Installation und damit in die dritte Dimension übersetzte. Seine künstlerischen Denkmodelle zu mathematischen wie naturwissenschaftlichen
Theorien formuliert er bevorzugt am Motiv des Diagramms und wählt die Linie zum zentralen Gestaltungsmittel seiner Arbeiten. Die Linie prägt auch die Fadeninstallationen des Künstlers, als deren
prominenteste die ortsspezifische Arbeit aus bemalten Nylonfäden und Cut-Out mit Titel „XIII.Buch, 3 §15 (A3) / Apfelbaumglas“, präsentiert in der Ausstellung „Cut- Scherenschnitte 1970–2010“
(2010) in der Hamburger Kunsthalle, gilt.
In der Ausstellung im Poolhaus macht der Künstler Loersch ebenfalls eine Fadeninstallation zum Zentrum seiner künstlerischen Präsentation. Sie besteht aus drei Teilen und durchschneidet monumental
den gesamten Beckenbereich des ehemaligen Schwimmbades auf seiner Längs- und Querachse. Zwei senkrechte Elemente mit je 4 Metern Breite sind schwebend im Raum installiert und über die Längsachse
beweglich wie ein langsames, raumausgreifendes Pendel. Ein senkrechtes Fadenelement zeigt das Porträt des Natur- und Geisteswissenschaftlers Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716), während die bemalte
Fläche daneben visuell als schwarze semitransparente Wand begegnet.
Sowohl in seinen Zeichnungen auf Papier als auch den Fadeninstallationen jongliert Loersch zwischen dem erkennbaren Paradoxon des seriellen Prinzips einerseits und der Einmaligkeit der subjektiven
Äußerung (via der Handschrift) andererseits. Auf diese Weise gelangt er zu einer neuen Qualität der künstlerischen Wirklichkeitsbeschreibung: Linie, Fläche, Raum und Zeit als relationale Größen
folgen nicht einer erzählerischen Funktion sondern werden eigengesetzlichen Strukturen unterworfen. Philip Loerschs systematische und bisweilen tautologisch erscheinenden Operationen der Zeichnung
befreien sich so von einer zweckgebundenen Darstellungsfunktion, sind nicht mehr Abbild der Realität sondern in ihrer räumlich-zeitlichen Erstreckung Äquivalent der Realität.
Jette Rudolph, Galerie Jette Rudolph, Berlin
Fadeninstallation Leibniz, 2015, Poolhaus Blankenese, Hamburg
De Lineatio und Finger (nach Kirsten Wagner & Thomas Thiel), 2015, Bleistift und Farbstift auf Papier 30 x 21 cm
Löe und Stachelschwein , 2014 Bleistift auf Papier
24,5 x 27,5 cm
Parallelführung (nach Petra Gördüren), 2015 Bleistift und Farbstift auf Papier, 30 x 21 cm
Exakte Klassiker (I) ,2015 , Acryl und Marker auf Alabaster